Книга Gef?ngnistagebuch 1924

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Ich habe die Aufforderung zum Haftantritt seit Wochen erwartet, Tag f?r Tag, Stunde f?r Stunde, aber da ich sie nun wirklich in der Hand hielt und den Befehl las, da? ich mich sp?testens am 20. Juni, bis abends sechs Uhr beim Gerichtsgef?ngnis Greifswald zu melden habe, f?hlte ich pl?tzlich mein Herz wie unsinnig klopfen. Ich glaube, ich habe versucht, einige Witze zu Kagelmacher zu machen, die wohl ein wenig schief herauskamen. Dann bin ich in den Garten gegangen und habe mich in die Sonne gelegt. Noch zehn Tage hatte ich Zeit. Und trotzdem ich mich bis zur Stunde am meisten vor dem Entbehren von Zigaretten und Alkohol gef?rchtet hatte, waren es doch nicht diese, die ich in den mir verbliebenen Tagen noch besonders wahrnehmen wollte, sondern das war es: Liegen in der Sonne, Meergeschmack und das Erschauen einer sch?nen Menschengeste. Und es war vielleicht darum, da? ich mir an Km.'s Liebesgeschichte wie beteiligt vorkam, da? es mir gen?gte, das Bewu?tsein solcher Liebe mitzunehmen in die Eiszeit von sechs Monaten. Da? ich erst wieder am 20. Dezember frei sein w?rde, da? ich den ganzen Sommer, den ganzen Herbst vergessen w?rde, das schmerzte besonders. Wenn wir zusammen auf das Feld hinausgingen und Km. sich dar?ber freute, da? die Kartoffeln so stark in der letzten Nacht gewachsen waren, dachte ich nur daran, da? ich sie nicht bl?hen, nicht abwelken, nicht geerntet sehen w?rde. Als ich am letzten Tage ?ber das frisch gepflanzte Kohlfeld ging, dessen Pflanzen schlaff und verwelkt auf der Seite lagen, fiel mir ein, da? die ein ganzes Leben haben w?rden, w?hrend ich – Eiszeit. Steinzeit. Denn dort lebt man nicht, nicht wahr? Es ist wie eine Pause, pl?tzlich ist das eigene Leben zu Ende, nun mu? man das Leben irgendeines andern f?hren, ein fremdes, befohlenes Leben – wer aber wird man dann am 20. Dezember sein, der von fr?her? Oder ein ganz anderer? Dazu kamen die Sorgen, ob es m?glich sein w?rde, die Eltern ?ber den Aufenthaltsort im unklaren zu lassen. Ich habe …